3 Wochen Zeit für eine Radtour.
Wohin in 15 Tagen ?

Erste Idee:

Von Wien nach Nizza, quer durch die Alpen von Ost nach West

Problem: Es wird noch Schnee liegen, die meisten Pässe sind nicht befahrbar.


Zweite Idee:

Jakobsweg, von Zuhause aus. Im Mai machbar.

Und er wird es werden, "mein Weg " - "Mein (Jakobs)Weg"

Sechzehnter Tag

Ankunft

In einer Herberge braucht man keinen Wecker. Irgendwann wird es unruhig. Es rumort, nestelt rum, Reißverschlüsse und Klettverschluss gehen auf und zu. Man ist wach.
Hab sogar gut geschlafen. Mein kleiner Seiden-CoCoon ist echt gut. Wird auch nicht kalt, acht Leute in einem kleinen Zimmer. Will ich nicht im August erleben.
Aber draußen ist es erstaunlich frisch, ziehe sogar meine lange Hose an.
Dort wo ich gestern die Pizza verdrückt habe, gibt es Kaffee und, typisches Spanien, die Kuchen unter den Glas-Etageren.
Lecker und saftig, trink sogar zwei Kaffee. Wir drei plaudern noch eine Weile zusammen, dann geht jeder seiner Wege. Winken zum Abschied, während ich die leicht abschüssige Strasse mit hohem Gang entlangziehe.
In Guitiriz soll es Quellen geben, könnte ich mir ja anschauen. Leider seh ich keinen Hinweis wo es die geben könnte. 
Dann kommt der Abzweig nach Santiago, nicht mehr Hauptrichtung "A Coruña" sondern nur noch Santiago. Es sind nur noch 68km !

Es geht Kerzengerade weiter. Pause wäre mal nötig. Leider ist das auf der N-634 so gut wie nicht möglich. Nur Strasse , Strassengraben, Seitenbegrenzung.
 Bei einem kleinen Örtchen verkaufen sie Kirschen!
Und was für tolle. Aber nur Kistenweise, ich bekomme trotzdem eine Tüte.
S'Mädel sieht ein, das Kiste bei mir nicht geht.
Bei einem Wegkreuz, im Schatten hoher Bäume, wird es endlich Zeit für Pause.



Genieße dabei die Kirschen und telefoniere mit Juliane. Es wird Zeit heim zu kommen, in all den Jahren, die wir zusammen sind, waren wir noch nie so lange getrennt.
Nach etlichen Auf und Ab, kommt der Flughafen in Sicht. Auch der Camino kreuzt wieder.
Ab hier sollte ich folgen können, so kurz vor der Stadt. Leider nein. In San Paolo, bei einer kleinen Kapelle, bekomme ich sogar noch einen Stempel. Liegt aus und jeder darf selbst.



Danach geht der Weg wieder in's Gelände, nix für mei Radl. Finde etwas für mich fahrbares (N-634) und stehe am Ortsschild.

Santiago 




Ich hab diesen Hirnfurz wirklich hinbekommen. Von zu Hause aus nach Spanien geradelt.
( Mit kurzer Autopause wegen Schnee  -  OKeee )

Ein Foto muss geschossen werden. Finden andere Pilgern auch, kommen über die Strasse und es werden gegenseitig Fotos gemacht. Warum erst jetzt, nachdem ich doof davor stand?
Das Ortsschild für Pilger steht etwas weiter weg, ist total beklebt und grottenhässlich. Das nüchterne Straßenschild fanden dann wohl einige auch besser.

Zur Innenstadt muss ich nur den Pilgern folgen, unübersehbar. Ich frage mich, wie ist das in der Hauptsaison ?  Es ist Mai und alle 50m läuft ein Pilger !
 Der Stadtplaner fand grobes Kopfsteinpflaster wohl angemessen, alte Stadt, historische Gebäude, Pilgerort seit über 1000 Jahren. Ich hab Angst, daß es mir alles am Rad zammhaut.
Sogar schieben ist zu holprig. Auf meinem Umweg, den ich gehen muss, liegt eine Eisdiele.
Das muss göttliche Fügung sein.
Lemon und Yogur, sowas von einfach gut.

Wo gibt es die Compostela ? Kein Wegweiser.
Die Fußpilger laufen einfach alle hintereinander her und kommen automatisch dort an.
Ich muss suchen, frag einen Portier der vor seinem Hotel steht.
Gefunden, Zutritt nur mit Pilgerausweis und ich bin nicht der einzige. Hab auch gar nicht damit gerechnet, aber drei Stunden Wartezeit ist schon heftig.
In einem Park an einem schattigen Platz, schau ich mal ob ich Glück mit Bus, Bahn, Flug habe; Pech, nö, kommen und wollen, ist nicht. Also Hotel, duschen und stadtfein für Compostella anstehen.
Zwei Stunden später sieht es sehr viel besser aus, warte nur noch ca 45min.
Es ist der Hammer, sechzehn Plätze zur Austellung der Compostela.
Ein Bildschirm zeigt den nächsten freien Platz an
Dann hab ich sie in den Händen, die offizelle und meine persönliche Compostella.


Mein Vorhaben, meinen Weg hab ich geschafft.

Die Kathedrale möchte ich mir ansehen, einen Blick auf den legendären Weihrauchkessel werfen.
 Es beginnt gerade ein Gottesdienst, die Kirche ist rappeldicke voll. (Pfingsten, ja klar)
Die Orgel in der Anordnung hab ich noch nie gesehen. Der Klang ist unbeschreiblich,
dazu setzt ein Sänger ein, der mit gutturaler Stimme auf spanisch ein Lied anstimmt.
Nach und nach singen andere jetzt mit -
bekomme feuchte Augen, selten in einer Kirche,  hier passt alles - das erreichte Ziel, der Orgelklang in der riesigen Kathedrale, der spanische Sänger, mit mir 1000 Leute hier drin -
auch wenn ich kein Wort verstehe, lasse ich die Stimmung auf mich wirken.



Nach dem Gottesdienst schaue ich mir noch den Altar an. Währenddessen hab ich mich gewundert, warum immer wieder Hände an der Jakobsfigur auf dem Hochaltar auftauchen.
Denk noch so - können die mit dem putzen nicht warten.
Jetzt seh ich das man von hinten, nach dem man die anstehende Schlange durchstanden hat, hinter den Jakob gehen kann, ihm die Hände auf die Schulter legen und um Absolution bitten kann.
Haben wohl sehr viele nötig.

Der Weihrauchkessel hat auch respektable Ausmasse.
Wenn der unter Volldampf steht und entsprechender Shit verheizt wird -
geht hier voll das Happyning ab.
Hört sich jetzt etwas herablassend an. Sucht mal bei YouTube unter "Botafumeiro"
da geht was, wenn der Kessel in Aktion ist !


Schlendere noch durch Santiago, warme Abendsonne, vielleicht treffe ich noch andere deutsche Pilger. Hab heut irgendwie das Talent keinen zu treffen.



 Der Abend endet mit der Suche nach einer Rückreise.


Fahrdaten: 86km 1110hm

https://www.komoot.de/tour/167171014?ref=wtd










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